Rote Ampel? Verzögerung beim Solarpaket I und Klimaschutzgesetz
Nach der eiligen Haushaltsdebatte – als Folge der Klatsche vom Bundesverfassungsgericht – bremst die Ampel-Bundesregierung jetzt auch das Solarpaket I und das Klimaschutzgesetz aus. Obwohl die entsprechenden Gesetzesvorlagen vor allem für das Solarpaket I eigentich fix und fertig sind und es lediglich der Beschlussfassung bedarf, wird genau diese in diesem Jahr nicht mehr erfolgen, sondern auf das nächste Jahr und einen nicht benannten Zeitpuntk verschoben. Der rudimentäre Rest, der an diesem Freitag noch diskutiert und beschlossen werden soll, ist eine Art EEG im Kleinformat. Was ist passiert?
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Derzeit läuft die letzte Bundestags-Sitzungswoche für das Jahr 2023. Und auf der Tagesordnung fehlen zwei Themen, die eigentlich dieses Jahr noch über die Bühne gehen und im januar 2024 in Kraft treten sollten: Das „Gesetz zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung“, bekannt unter dem Begriff Solarpaket I. Und das „Zweite Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes“, sprich das überarbeitete Klimaschutzgesetz.
Solarpaket I und seine Bedeutung
Das Solarpaket I, beschlossen am 16. August 2023, zielt darauf ab, den Ausbau der Photovoltaik (PV) in Deutschland zu beschleunigen. Es beinhaltet verschiedene Maßnahmen, um den Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen zu entbürokratisieren, was die Inbetriebnahme von PV-Anlagen auf Balkonen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen deutlich vereinfachen soll. Ziel des Solarpakets ist es, bis 2025 eine Solarleistung von 18 GW zu erreichen, wobei ab 2026 sogar mehr als 22 GW pro Jahr angestrebt werden. Trotz der grundsätzlichen Zustimmung der Experten zu diesem Paket, gibt es dennoch Nachbesserungsbedarf, um den jährlichen Zubau an PV-Anlagen wie geplant zu steigern.
Vor allem die Betreiber und Interessenten von Balkonkraftwerken warten sehnsüchtig auf dieses Solarpaket I, soll darin doch die Bagatellgrenze für Balkonkraftwerke von 600 Watt Einspeiseleistung auf die 800 Watt, die in allen anderen EU-Ländern längst üblich sind, angehoben werden. Weiterhin sollte in dem Zuge auch die Aufnahme von Balkonkraftwerken in die priviligierten Maßnahmen folgen.
Das Klimaschutzgesetz
Das aktualisierte Klimaschutzgesetz, das am 21. Juni 2023 vorgestellt wurde, beinhaltet ambitionierte Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen. Deutschland strebt an, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Die Novelle des Gesetzes soll den Klimaschutz effektiver gestalten, indem eine zukunftsgewandte, mehrjährige und sektorübergreifende Gesamtrechnung für Maßnahmen ausschlaggebend wird. Der Entwurf sieht vor, dass Deutschland bis 2030 mindestens 65% weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 ausstoßen soll. Bis 2040 soll dieser Wert auf 88% steigen. Wichtig ist jedoch, dass das Gesetz bisher nur Ziele festlegt, der Weg dahin bleibt offen.
FDP tritt auf die Bremse
Die Fortschritte beim deutschen Klimaschutzgesetz stehen vor Herausforderungen, insbesondere aufgrund von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierungskoalition. Die FDP leistet Widerstand gegen bestimmte Teile des Gesetzes, insbesondere gegen die Anpassung an EU-Vorschriften bezüglich der CO2-Budgetierung.
Laut dem SPD-Energiepolitiker befindet sich das Klimaschutzgesetz noch in den parlamentarischen Verhandlungen und wird voraussichtlich nicht wie geplant bis zum Jahresende verabschiedet. Es gibt intensive Diskussionen über die weitere Vorgehensweise, wobei das Hauptziel der SPD darin besteht, mehr Klimaschutz in das Gesetz zu integrieren. Allerdings lässt sich der Zeitpunkt, wann dies erreicht werden kann, aktuell schwer abschätzen.
Ein zentraler Punkt des Konflikts betrifft die Regelungen zur Einhaltung des jährlichen CO2-Budgets. Fast alle Sachverständigen in der Ausschuss-Anhörung zum Gesetz haben darauf hingewiesen, dass die geplante Beschränkung der Regierungsverantwortung zur Einhaltung des CO2-Budgets Deutschland nicht von den europäischen Lastenteilungsverpflichtungen („Effort Sharing“) befreit. Nach EU-Vorgaben können Budgetüberschreitungen in Bereichen wie Gebäude und Verkehr nicht einfach durch Einsparungen in anderen Sektoren, wie der Energiewirtschaft, ausgeglichen werden.
Die FDP lehnt nach aktuellen Informationen eine Anpassung des Klimaschutzgesetzes an diese EU-rechtlichen Vorgaben weiterhin ab. Dieser Widerstand könnte die Verabschiedung und Umsetzung des Gesetzes weiter verzögern und damit auch Deutschlands Rolle und Verpflichtungen im Rahmen der europäischen Klimaziele beeinträchtigen.
Was wird denn überhaupt noch am Freitag beschlossen?
Die Windenergiebranche in Deutschland hofft, die Verzögerung bei der Umsetzung des Solarpakets zu nutzen, um wichtige Änderungen im Zusammenhang mit Windenergieprojekten durchzusetzen. Es gibt drei wesentliche Änderungsvorschläge:
- Verlängerung der Frist für die Nachtkennzeichnung von Windparks: Die ursprüngliche Frist, die bis Ende 2023 festgelegt wurde, erscheint aufgrund fehlender Zulieferungen, Prüfkapazitäten und Genehmigungen unrealistisch. Ohne eine Fristverlängerung könnten Windparks abgeschaltet werden müssen. Also zunächst soll wohl über diese Fristverlängerung entschieden werden.
- Längere Realisierungsfristen für bestimmte Windprojekte: Für Windprojekte, die bis Ende 2022 in einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur den Zuschlag erhielten, wird eine Verlängerung der Realisierungsfrist um sechs Monate vorgeschlagen. Dies ist eine Reaktion auf die gestiegenen Kosten und Belastungen für Projektierer durch die Energiekrise. Auch das steht wohl zur Emntscheidung an.
- Lockerungen bei der Direktvermarktungspflicht für EEG-geförderte Anlagen: Diese Änderung soll die Bedingungen für die Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen erleichtern. Das ist der dritte Punkt, der am Freitag auf der Tagesordnung verblieben ist.
Diese Änderungen sollen in einer anstehenden Bundestagssitzung beschlossen werden, während der Rest des Solarpakets zu einem späteren Zeitpunkt folgen wird. Diese Entwicklungen sind wichtig, da sie die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Windenergie in Deutschland beeinflussen und damit auch die Erreichung der Klimaziele des Landes.
Verzögerungen und Auswirkungen
Die Verschiebungen des Solarpakets und des Klimaschutzgesetzes haben verschiedene Ursachen und Auswirkungen. Eine wesentliche Ursache für die Verzögerung ist die anhaltende Haushaltskrise, verursacht durch ein Urteil aus Karlsruhe gegen das Verschieben von Coronahilfen in den Klima- und Transformationsfonds. Besondere Sorge bereitet die Windenergiebranche, die auf eine Fristverlängerung für die Nachtkennzeichnung von Windparks hofft, um drohende Abschaltungen zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es Kritik am Klimaschutzgesetz, insbesondere von der FDP, hinsichtlich der Anpassung an EU-Vorgaben.
Mögliche Lösungsansätze
Um aus der aktuellen Sackgasse herauszukommen, ist es entscheidend, dass die Bundesregierung einen Mittelweg zwischen finanziellen Einschränkungen und dem dringenden Bedarf an Klimaschutz findet. Eine erhöhte Einbindung von Stakeholdern und eine transparente Kommunikationsstrategie könnten dazu beitragen, den Stillstand zu überwinden.
In der gegenwärtigen Lage, wo wirtschaftliche Herausforderungen und die Notwendigkeit des Klimaschutzes aufeinanderprallen, steht die Bundesregierung vor einer komplexen Aufgabe. Um aus der Sackgasse herauszukommen, ist eine ausgewogene Strategie unerlässlich, die sowohl die finanziellen Beschränkungen berücksichtigt als auch den unabdingbaren Klimaschutzerfordernissen gerecht wird. Dies erfordert einen innovativen Ansatz, der die Interessen verschiedener Stakeholder einbezieht. Indem Organisationen, Unternehmen und Bürger aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden werden, kann die Akzeptanz und Effektivität von Klimaschutzmaßnahmen gesteigert werden. Eine klare und transparente Kommunikationsstrategie ist dabei von zentraler Bedeutung, um Missverständnissen vorzubeugen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken. Dies kann einen Weg ebnen, der sowohl wirtschaftlich tragfähig als auch ökologisch nachhaltig ist, und somit den Stillstand in der Klimapolitik durchbrechen.
Fazit:
Die aktuellen Herausforderungen in der deutschen Klimapolitik spiegeln größere Hindernisse wider, die auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft überwunden werden müssen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten, um diese essentiellen Gesetze voranzubringen und Deutschland auf den richtigen Weg zur Erreichung seiner Klimaziele zu führen. Die Ampel in Berlin zeigt sich dabei im Moment eher als Bremsklotz und nicht als Antrieb dieser Bemühungen.